Ziegenhainer Landfrauen setzen sich für Frauenrechte ein

 

„Das Wahlrecht für Frauen ist heute eine Selbstverständlichkeit. Es war die Initialzündung auf dem Weg zur Gleichberechtigung“, sagten Bärbel Spohr vom Kreisfrauenbüro und Renate Ehrhardt, Vorsitzende des Bezirksvereins Ziegenhain, die gemeinsam zur Veranstaltung „100 Jahre Frauenwahlrecht“ am 30. November in die passend zum Anlass dekorierte Kulturhalle in Ziegenhain geladen hatten. Im Dresscode des Jahres 1918, in dem am 30. November das aktive und passive Wahlrecht für Frauen durch den Rat der Volksbeauftragten beschlossen wurde, empfingen sie ihre Gäste mit einem Glas Sekt. Mehr als 100 Frauen, junge und ältere, Landfrauen und interessierte Frauen aus der Region waren der Einladung gefolgt und erwarteten gespannt die Talkrunde mit ausgewählten Interviewpartnerinnen, moderiert von Kerstin Diehl, Redakteurin und freie Mitarbeiterin der HNA. „Uns war es wichtig, dass Frauen verschiedener Wirkungsbereiche zu Wort kommen und allen Frauen Mut zusprechen, selbst am Glück zu arbeiten“, sagte Renate Ehrhardt zur Einführung. Die Interviewpartnerinnen beleuchteten vor allem die Rechte der Frauen in der Gegenwart. Donata Freifrau Schenck zu Schweinsberg, ehemalige Vizepräsidentin des Deutschen Roten Kreuzes, sprach sich für eine bessere Vernetzung der Frauen untereinander aus und forderte noch bessere Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Landtagsabgeordnete Regine Müller machte sich für die Einführung von Frauenquoten in Politik und Wirtschaft stark, denn freiwillig würden die Männer nicht von ihren Posten rücken. Zudem müssten Frauen ihre Selbstzweifel ablegen und mutig gegen alltägliche sexualisierte Übergriffe angehen. „Sexualität ist ein Machtinstrument. Ich will jedoch selbst entscheiden, wer mir zur Begrüßung einen Kuss auf die Wange drücken darf und wer nicht“, sagte Müller, die beispielsweise auch in der sozialen und wirtschaftlichen Stellung der Hebammen in Deutschland einen Kompetenzkonflikt der männlichen Ärzte sieht. Hildegard Schuster, Präsidentin des Landfrauenverbandes Hessen, forderte eine höhere Anerkennung sogenannter Frauenberufe. „Wir brauchen für den Dienst am Menschen eine bessere Bezahlung, weil wir Frauen es wert sind“, so Schuster, die auch im Bistum Limburg im Gremium zur Aufarbeitung sexueller Übergriffe mitarbeitete und mit Erschrecken feststellte, dass gerade Frauen wenig Solidarität mit den Opfern zeigten und die Vorfälle herunterspielten. „Wir müssen uns gegenseitig im Engagement fördern und auch schon unsere Kinder gleichberechtigt erziehen“, sagte Schuster. Pfarrerin Erika Eckhardt empfahl den Frauen, sich gegenseitig mit kleinen Hilfen aus der Einsamkeit des Alltags zu holen. Kleine Gesten für alleinerziehende Mütter, für Rentnerinnen stärkten das Selbstvertrauen und gäben Mut zum Handeln. „Frauen schweigen aus Angst vor Konsequenzen und fürchten um ihre Glaubwürdigkeit“, sagte Eckhardt. Jeden dritten Tag käme eine Frau in Deutschland aufgrund häuslicher Gewalt ums Leben. Von 160.000 Vergewaltigungen würden nur 8.000 angezeigt und nur in 1.000 Fällen käme es überhaupt zu einer Verurteilung. Deutsche Frauen, erklärte Regine Müller zum Schluss der Talkrunde, sollten sich an den skandinavischen Gepflogenheiten ein Beispiel nehmen. Dort sei es heute beispielsweise längst selbstverständlich, dass eine politische Sitzung am Nachmittag so früh ende, dass auch ein Ministerpräsident seine Kinder noch rechtzeitig von der Betreuung abholen könne. Einfühlsam trugen „Maike und Jenny“, Musik-Duo aus Ottrau, sorgsam ausgewählte Lieder unterschiedlicher Genres aus zurückliegenden Jahrzehnten vor, bevor die Frauen Gelegenheit hatten, sich an der von Präsidentin Hildegard Schuster mitgebrachten Torte „100 Jahre Frauenwahlrecht“ zu stärken. Gerne nutzten die Frauen die Gelegenheit zu angeregten Gesprächen und einem lebendigen Austausch über ihre Situation als Frauen in einer doch häufig von Männern dominierten Welt. Tief beeindruckt waren alle dem Film der britischen Regisseurin Sarah Gavron mit Meryl Streep aus dem Jahr 2015 „Suffragette – Taten statt Worte“, mit dem der stimmungsvolle Abend ausklang. Er zeigt die Geschichte mutiger Frauen des letzten Jahrhunderts in Groß-Britannien, die um vieles kämpften wie das Wahlrecht, was heute selbstverständlich ist. Fazit der Veranstalterinnen und aller Frauen: Auch nach 1oo Jahren Frauenwahlrecht sind wir noch nicht am Ziel, es bleibt noch viel zu tun. Ein gutes Miteinander, funktionierende Netzwerke sind für uns Frauen wichtig, um unsere gemeinsamen Ziele zu erreichen!

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